Bericht vom Fachseminar:

Die Berücksichtigung von Fischarten der FFH- Richtlinie in den
Fachplanungen des Naturschutzes

Veranstaltungsort:  NABU- Akademie Gut Sunder

Veranstaltungsleitung: Dipl.- Biol. Ralf Schulte (Nabu- Akademie Gut Sunder)
in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Heiko Brunken (Hochschule
Bremen)



Im Auftrag des Deutschen Anglerverbandes e.V. und des Verbandes für Angeln und Naturschutz Thüringen e.V. hatte ich die Gelegenheit, an diesem Seminar teilzunehmen.
Voranstellen möchte ich, daß sich mein Bericht weniger mit dem detaillierten Inhalt der einzelnen Fachvorträge als vielmehr mit einigen gedanklichen Schlußfolgerungen dieses Seminars befaßt.
Entgegen den eher verhaltenen Erwartungen des Veranstalters war der Seminarraum mit über 60 Teilnehmern einschließlich zusätzlicher Sitzplätze restlos gefüllt. Bunt war das Spektrum der Teilnehmer. Von privaten Interessenten erstreckte es sich über Studenten, Vertreter der Fischerei- und Naturschutzverwaltungen, Vertreter von Fischereiverbänden bis zu bekannten Persönlichkeiten der Fischereiwissenschaft.
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Teilnehmer des Seminars
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Insgesamt 11 zum Teil sehr interessante Fachvorträge zur Biologie und den Lebensräumen der Fischarten des Anhangs II der FFH- Richtlinie sowie deren Berücksichtigung in der Fachpla-nung des Naturschutzes führten zu wertvollen Erkenntnissen und Rückschlüssen im Umgang mit diesen Arten aber auch mit der FFH- Richtlinie selbst.
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Bis auf den letzten Platz ausgebucht
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Um welche Fischarten geht es eigentlich im Anhang II der Richtlinie?
Von besondere Bedeutung für den Nord- und Mitteldeutschen Raum sind:
Die drei Neunaugenarten, sowie Groppe, Lachs, Rapfen, Bitterling, Steinbeißer, Schlammpeitzker, Maifisch, Finte und Stör.
Vor allem für das Donaueinzugsgebiet stehen:
Huchen, Frauennerfling, Steingressling, Weißflossengründling sowie die Donauperciden Schrätzer, Streber und Zingel.
Nicht all zuviel Interessantes für den Angler dabei, außer Lachs, Rapfen und Huchen, wird sicher mancher denken. Doch sowohl als wichtige Glieder in der Nahrungskette vor allem aber als Indikatorarten für intakte Lebensräume spielen viele der aufgeführten Kleinfischarten eine bedeutsame Rolle und verdienen daher durchaus unsere Beachtung.
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Prof.Dr. Heiko Brunken
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Leider ist bis heute über die Lebensweise einiger dieser Arten oder durch deren Aufsuchen von Ersatzbiotopen infolge Gewässerverbaues noch sehr wenig bekannt, so daß sie bei mancher Fischartenkartierung schlichtweg übersehen werden.
Immerhin schreibt die FFH- Richtlinie vor, daß für nachgewiesene Vorkommen von Arten des Anhangs II Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen!
„Gott bewahre“ wird sicher mancher angesichts dieser Vorschrift denken und besser wär’s, man verrät nicht zuviel.
Zunächst sind die Bedenken zumindest für deutsche Verhältnisse nicht unbegründet. Hat sich doch in unserem Land sowohl der behördliche als auch der organisierte Naturschutz  mit sei-nem ordnungspolitisch orientierten „Verbotsnaturschutz“ einen zweifelhaften Namen als Schreckgespenst aller Naturnutzer erworben.
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Der "Gutsherr" Ralf Schulte
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Die Ausweisung von FFH- Schutzgebieten wird daher sicher nicht zu Unrecht mit dem Gedan-ken an weitere Verbote und restriktive Einschränkungen der Naturnutzung, so auch der Fi-scherei, verknüpft.
Dies ist jedoch kein Ziel der FFH- Richtlinie oder des Schutzgebietssystems NATURA 2000 selbst, sondern eher einiger Naturschutzpuristen, welche in ihrer Selbstgefälligkeit den Men-schen lieber das Betrachten der Natur bestenfalls noch aus der Perspektive von Verbotsschil-dern und Zäunen gestatten möchten.
Bestrebungen dieser Art gilt es, sich mit aller Macht entgegenzustellen sowie unübersehbare Allianzen, z.B. der Gewässernutzer, zu schmieden. Vor allem wäre hier für die beiden großen  Deutschen Anglerorganisationen DAV und VDSF aber auch den Deutschen Fischereiverband ein echtes Betätigungsfeld für gemeinsame Aktionen.
Begreifen sollten wir auf der anderen Seite die große Chance, welche uns die FFH- Richtlinie für den Schutz der von uns genutzten und gehegten Gewässerlebensräume bietet. Denn im Klartext hat die FFH- Richtlinie nicht mehr aber auch nicht weniger als ein Verschlechte-rungsverbot der bestehenden Natur- und Umweltbedingungen in den jeweiligen Gebieten zum Ziel.
Und so ist es durchaus lohnenswert, von den zuständigen Behörden bei bestimmten Eingriffen die Durchführung einer FFH- Verträglichkeitsprüfung zu fordern. Obwohl dieses Instrument den Behörden eigentlich bekannt ist, wird es derzeit höchstens in den vorgesehenen FFH- Schutzgebieten angewandt. Ebenso besteht jedoch die Möglichkeit, diese Prüfung bei nachgewiesenen Vorkommen von Arten des Anhangs II auch außerhalb von Schutzgebieten durch-führen zu lassen.
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Eingang zum Seminargebäude
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Genau da wird es für uns spannend, wenn wir beispielsweise an die vielen Wasserkraftwerke denken, welchen durch bedenkenloses Genehmigungshandeln der Behörden mittlerweile hun-derte Kilometer naturnaher Fließgewässer zum Opfer gefallen sind, ganz zu schweigen von der permanenten Tierquälerei an Kraftwerksrechen und in Turbinen.
Fischarten des Anhangs II, wie Groppe und Bachneunauge finden wir dank verbesserter Wassergüte fast überall in den Ober- und Mittelläufen unserer Flüsse, leider aber auch die Masse hunderter Kleinwasserkraftwerke.
Wanderungen anadromer Wanderfische wie Lachs oder Fluß- und Meerneunauge nehmen immer mehr zu.
Hier muß es unser Ziel sein, bei allen geplanten Eingriffen in und an den Gewässern von den Behörden die FFH- Verträglichkeitsprüfung zu fordern. So sind eben an Wasserkraftwerken ausreichende Restwassermengen fest zuschreiben, die einen Erhalt der Lebensräume von Fi-schen des Anhangs II garantieren. Wanderhilfen müssen dann auch den Auf- und Abstieg von Fischen dieser Kategorie zu gewährleisten.
Zu Hilfe wird uns dabei auch die Umsetzung der EU- Wasserrahmenrichtlinie kommen, welche parallel zur FFH- Richtlinie die Herstellung eines guten ökologischen Zustandes der Fließge-wässer innerhalb der nächsten 15 Jahre fordert.
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Fischernachwuchs der TU Braunschweig "trinkfest und rein weiblich"
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In anderen Ländern hat man diese positiven Möglichkeiten von FFH und NATURA 2000 längst erkannt und zum Wohle der Fischerei in Anwendung gebracht. So werden schottische oder dänische Lachsflüsse mit EU- Mitteln renaturiert ohne dabei deren fischereiliche Nutzung einzuschränken oder zu verbieten. Ein Beispiel dafür, daß sich Nutzung und Schutz bedrohter Lebensräume keineswegs ausschließen müssen.
Das Wissen um diese zweite, für uns sehr segensreiche Seite der FFH-Richtlinie in unsere Verbände und Vereine zutragen, halte ich für überlebenswichtig in Bezug auf den Fortbestand der Deutschen Angel- und Berufsfischerei vor allem unter den Bedingungen der Konkurrenz par-allel laufender Programme und letztlich im Kampf um entsprechende Fördermittel.
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Seminargebäude
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Wer zu spät kommt....!!! - oder -  Wissen ist Macht...!!!
Beide Sprüche sollten uns zu denken geben. Um nicht zu spät zu kommen brauchen wir ganz einfach das Wissen um die Vor- und Nachteile z.B. der FFH- oder der EU- Wasserahmenrichtlinie. Wir brauchen dieses Wissen im Umgang mit unseren Behörden und mit denen, die diese Richtlinien zu unserem Nachteil mißbrauchen wollen. Wir brauchen dieses Wissen aber vor allem für die vielen notwendigen Programme zur Renaturierung von Fließgewässern ( Wan-derfischprogramme) und um an das dafür benötigte Geld heran zukommen.
Nicht zuletzt brauchen wir aber auch Wissen und Sachverstand an der Basis unserer Vereine, um nicht durch hausgemachte Fehler ins Messer der Argumente der Gegenseite zu laufen.
Dies geschieht leider noch viel zu oft, wie uns der Vortrag von Herrn Uwe Weibel zu Besatz-gewohnheiten, und die Betonung liegt auf Gewohnheiten, eines großen Teils unserer Petrijünger deutlich vor Augen führte.
Hier sollten wir auch mit der nötigen Selbstkritik manche sogenannten Traditionen und Ge-wohnheiten überdenken.
Naturschutz durch Angler kann sich nicht nur auf die praktische Arbeit am Gewässer be-schränken sondern muß auch in der Anwendung modernen Wissens bei der Hege und dem Management unsere Fischbestände und ihrer Lebensräume zum Ausdruck kommen.
Angeln ist mehr als Fische aus dem Wasser zu ziehen...
Vor dem Angeln kommt heute vor allem die Aneignung von Wissen und dessen praktische Umsetzung zum Schutz und zur Erhaltung der Lebensräume unserer Fische in der Realität unserer vielschichtig beeinträchtigten Kulturlandschaft.
Angeln heißt heute aber auch, sich mit Argumenten zu wappnen, gegen irrationale Träume von Naturschutzpuristen, welche die Wildnis der Steinzeit hinter Zäunen und Verbotsschildern in Mitteleuropa wieder erstehen lassen wollen, welche zur Massenvermehrung des Kormorans, Beifall klatschen, ohne das stille Artensterben ganzer Fischpopulationen wahrzunehmen.
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Verwaltungssitz von Gut Sunder
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Dieses notwendige Wissen bis an die Basis unserer Vereine zu vermitteln, sollte eine der wichtigsten Aufgaben der Verbände auf allen Ebenen sein. Neben der Fachpresse als Mittler von Wissen bieten jedoch Seminare, wie dieses in Gut Sunder, die Tagungen des Sachverständigenkuratoriums oder der Deutsche Fischereitag hervorragende Möglichkeiten der Aneignung von Wissen aber auch der Diskussion, dem Meinungstreit und Erfahrungsaustausch. Bekannt-schaften werden neu geknüpft, alte Beziehungen gepflegt. Ein wenig traurig stimmt einen dann, wenn die Vertreter der Angelfischerei trotz der riesigen Zahl ihrer Mitglieder oft nur als kleines Häufchen auf diesen Veranstaltungen zu finden ist.
Abschließend noch ein letzter Gedanke, der mir bei meinem immerhin schon zweiten Besuch der NABU- Akademie gekommen ist.
Würde es sich bei dem enormen Bedarf von Wissensvermittlung in der Angelfischerei nicht auch lohnen, mal ernsthaft über die Gründung einer Angler- Akademie nachzudenken?
Oder können sich das fast eine Million organisierte Angler in Deutschland nicht leisten?
Der NABU hat glaube ich, etwas weniger an Mitgliedern und es geht trotzdem.
Wie es geht und vor allem was dort abgeht, kann man sich auch unter www.nabu-akademie.de anschauen.

Andreas Kirsch
Geschäftsführer im
Verband für Angeln und Naturschutz Thüringen e.V.
Rimbachstraße 56
98527 Suhl
Tel./FAX: 03681-308876
E-mail:  VANT-Suhl@t-online.de
web-Adresse: www.anglertreff-thueringen.de