'Grüner' Strom aus Wasserkraft ist blutiger Strom
Maulkorb für Fischer und Naturschützer am Landgericht gescheitert

Von Leonhard R. Peter, Wiesbaden

Wasserkraftwerke gelten im allgemeinen als umweltverträgliche, weil klimaschonende Stromerzeugungsanlagen - man wird jedoch umdenken müssen.  "Grüner Strom - Blutiger Strom" - unter diesem Titel hatten Präsidiumsmitglieder des als Naturschutzverband anerkannten Verbandes Hessischer Sportfischer im März 2001 zu einem öffentlichen Vortrag über  die seit langem bekannten, aber in der Öffentlichkeit wenig beachteten Probleme der Wasserkraftnutzung in bezug auf Ökologie, Naturschutz und Tierschutz an Fliessgewässern eingeladen.

 "Wenn Strom eine Farbe hat, dann ist der aus Wasserkraft erzeugte "grüne" Strom rot: Rot vom Blut der Abertausenden von Fischen, die tagtäglich an den Rechen und in den Turbinen der Wasserkraftwerke ihr Leben lassen müssen. Damit nicht genug: Die Stauanlagen der Wasserkraftwerke zerhacken regelrecht die Lebensräume der Fließgewässer. Fische, Rundmäuler und Kleintiere können die künstlichen Barrieren nicht überwinden. Für viele Arten bedeutet deshalb die durch Wasserkraftwerke hervorgerufene Trennung von ihren Laichplätzen und Aufwachs-Lebensräumen das Aussterben im betroffenen Gewässer" hatten Winfried Klein, Runkel und Rainer Hennings, Lorsch, in den "Weinheimer Nachrichten", der  "Südhessischen Post" und im "Bergsträsser Anzeiger" weiter erklärt. Der Beitrag, den besonders die Klein-Wasserkraftwerke zum Klimaschutz leisteten, sei dagegen verschwindend gering. Sie seien eher profitable Abschreibungsobjekte denn "irgendwie Öko".

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Getötetete Aale: "Nebenprodukte" umweltfreundlicher Wasserkraftgewinnung ?

Die Aussagen wurden sämtlich belegt durch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen und Gutachten, die Fachliteratur und eigene Beobachtungen von Klein (Pressereferent, IG Lahn) und Hennings (Naturschutzreferent). Sie waren Wasserkraftbetreibern offenbar ein so großer Dorn im Auge, dass sie versuchten, der Naturschutzarbeit der ehrenamtlichen Anglerfunktionäre juristisch einen Riegel vorzuschieben, zunächst mit einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit Strafandrohung von 10.000 DM. Da die jedoch ignoriert wurde, reichten die Südstrom GmbH Rheinstetten,  deren Geschäftsführer gleichzeitig der Vorsitzende des Verbandes der Klein-Wasserkraftanlagenbetreiber ist, und die Betreiberin einer Wasserkraftanlage an der Weschnitz (Südhessen) beim Landgericht Mannheim Klage ein mit dem Antrag, "die Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung mit einem Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten" zu bestrafen, wenn sie es nicht unterließen, öffentlich die oben genannten Behauptungen aufzustellen. Die Beklagten hätten sich der Straftatbestände der Geschäftsschädigung, der üblen Nachrede und der Verleumdung schuldig gemacht.

Das Gericht hat mit Urteil vom 21.12.2001 die Klage abgewiesen und bestätigt, dass durch die Beklagten keine Rechtsverletzungen begangen wurden und die von den Klägern beanstandeten Aussagen durch das Recht auf Meinungsfreiheit des Art. 5 GG abgedeckt sind

"Es ist damit den Wasserkraftlobbyisten nicht gelungen, ihnen missliebige Kritiker der tierschutzwidrigen und gewässerfeindlichen Wasserkraftanlagen in Deutschland mundtot zu machen. Das  Urteil hat Signalwirkung für die anderen Gerichtsverfahren, die derzeit teils von den gleichen Klägern, teils von Landesverbänden der Kleinwasserkraftbetreiber, in einer wohl abgestimmten Kampagne quer durch die Republik gegen Funktionäre des fischereilichen Naturschutzes angezettelt worden sind" hofft Klein, der 1999 für seine langjährigen ehrenamtlichen Verdienste um den Natur- und Gewässerschutz und die Wiedereinbürgerung des Lachses in der Lahn mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet wurde.

Den eigentlichen Skandal sehen die beiden Naturschutzaktivisten nicht in dem plumpen Versuch der Wasserkraftbetreiber, mit Einsatz offenbar reichlich vorhandener Geldmittel und Androhung exorbitanter Strafgelder ihre Pfründe zu sichern. Viel schlimmer ist es in ihren Augen, dass der weitere Bau und Betrieb von Wasserkraftwerken auch der kleineren Art  immer noch aus Steuergeldern subventioniert und teils sogar mit verlorenen Zuschüssen gefördert wird. "Die Dinger gelten trotz ihres verschwindend geringen Beitrags zur CO2-Vermeidung und ihrer schweren Folgen für den Natur- und Tierschutz immer noch als umweltfreundlich.  Eine umfassende Ökobilanz, die neben den ökologischen Auswirkungen auch das in den Stauhaltungen entstehende Treibhausgas Methan, zehnmal klimaschädlicher  als Kohlendioxid, mit einbezieht, kann nur verheerend negativ ausfallen. Umweltbewusste Menschen, die derzeit überall in Deutschland auf ‚grünen' Strom umsteigen, sollten genau hinschauen, ob nicht Fischblut daran klebt", meint Hennings. Sie sollten Ökostromprodukte, deren Energiemix Wasserkraftanteile enthält, ablehnen, wenn sie nicht am tagtäglichen Gemetzel unter den Fischen und am Tod der letzten naturnahen Gewässer mitschuldig werden wollten.

Nüchterner sagt dies das Umweltbundesamt in mittlerweile zwei umfassenden Studien zur Wasserkraft schon seit Jahren: Die volkswirtschaftlichen und externen, das heißt Umweltfolgen- Kosten der Treibhausgasvermeidung bei Kleinwasserkraftwerken seien im Vergleich viel zu hoch, also andere Möglichkeiten der Treibhausgasvermeidung weit effizienter und weniger naturschädlich. Fest steht: Über ‚grünen' Strom wird weiter diskutiert werden - die Flecken auf dem grünen Mäntelchen der Wasserkraft werden mit der Zeit immer deutlicher.

Leonhard R. Peter
-Geschäftsführer-
Verband Hessischer Sportfischer e.V.
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