Thüringer Ministerium für Landwirtschaft
Naturschutz und Umwelt
-Der Minister-
Postfach 102153
99021 Erfurt

31.Januar 2002

Probleme bei der Umsetzung der ThürKorVO einschl. nachfolgender Erlasse

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Sklenar,

in einer Zusammenkunft von Vertretern der Thüringer Verbände der Angel- und Berufsfischerei am 30.01.2002 wurde eine dramatische Zwischenbilanz zu den Auswirkungen der Kormoranschäden der vergangenen Jahre und speziell dieses Winters auf die einheimische Fischfauna und die Fischbestände der Berufsfischerei gezogen. Ausgewertet wurde in diesem Zusammenhang gleichzeitig die Umsetzung der ThürKorVO (einschl. nachfolgender Erlasse) durch das Landesverwaltungsamt und die unteren Naturschutzbehörden.

Von den Verbänden wurden nach Aussagen ihrer Mitglieder Kormoranbestände in einer Größenordnung von 2000 bis 3000 Vögeln als zeitweilige bzw. Dauerwintergäste eingeschätzt.
Allein im Einzugsgebiet der Saale und ihrer Talsperren hielten sich in den vergangenen Wochen bis zu 2000 Kormorane auf. Weitere Zielgebiete sind das Werraeinzugsgebiet (Landkreise WAK, SM, HBN) einschließlich Nebengewässer Ulster (bis Geisa), Hasel (bis Dill-städt), Schleuse (bis Ratscher einschließlich TS Ratscher); die Ilm (Landkreis AP) sowie die Einzugsgebiete von Gera, Unstrut und Weißer Elster. Man kann mittlerweile von einem flächendeckenden Kormoranbefall in bisher noch nie dagewesenem Ausmaß sprechen. Insbesondere durch den strengen Frost der vergangenen Wochen blieben nach schneller Eisbedekkung die stehenden Gewässer noch weitestgehend verschont. Mit dem Eisaufgang in diesen Tagen wird sich dieses Bild jedoch schnell ändern.

Bereits nach der ersten Hälfte dieses Winters wird für die betroffenen Fließgewässerregionen ein Schaden an der einheimischen Fischfauna eingeschätzt, der alle bisherigen “Chemie- Gülle- und PSM- Unfälle” weit übertrifft. Bemerkenswert ist, dass selbst seitens besorgter Ornithologen und anderer Naturschützer negative Auswirkungen, infolge weg gefressener Nahrungsfische, für andere Fischfressende Vögel und Säugetiere registriert werden.

Wie gewohnt, werden die zuständigen Behörden jedoch detaillierte Beweise dieser Schäden verlangen. Doch bereits in unserem Schreiben vom 08.11.01(Anlage) haben wir angedeutet, dass dieser Nachweis gerade in offenen Fließgewässern nur mit kaum zu vertretbarem Aufwand möglich ist, es sei denn, diese Behörden geben entsprechende Gutachten an unabhängige Institutionen in Auftrag.
Wir würden dies jedoch kaum für zielführend halten, da zahlreiche entsprechende Gutachten und Forschungsergebnisse in der Fachliteratur sowie im Internet diese Schäden ausführlich belegen.
Diese Ergebnisse für Thüringen nochmals nachzustellen würde neben viel Geld vor allem wieder Zeit kosten, welche zur effizienten Lösung des Problems fehlt.

Es kann bereits heute festgestellt werden, dass Wiederansiedlungsprogramme der Verbände mit Barben, Äschen und Bachforellen einschließlich stark bedrohter Kleinfischarten durch Kormoranbefall gescheitert sind. In den Verbänden stellt man sich daher auch die Frage nach dem Sinn eines Wanderfischprogramms, wenn dessen Ergebnisse buchstäblich in jedem Winter aufgefressen werden, zumal auch die potenziellen Reproduktionsgebiete des Lachses (Ulster, Werraoberlauf, Schleuse) mitten im Zielgebiet der Kormoranattacken liegen.

Sehr geehrter Herr Minister,

sicher könnte man weiter darüber polemisieren, ob die Schäden an unserer einheimischen Fischfauna, groß, sehr groß oder katastrophal sind. Wir sind der Auffassung, das Maß der ökologischen Verträglichkeit ist um ein vielfaches überschritten und die gesamtökologischen Auswirkungen noch nicht zu übersehen.

Es kann daher nicht Aufgabe von Naturschutzbehörden eines Landes sein, einer Tierart derartigen Schutz zu gewähren, dass sie in dessen Folge durch ihr massenhaftes Auftreten die Existenz anderer Tierarten nachhaltig gefährdet.
In diesem Sinne möchten wir auch unsere Kritik an Sie als zuständigen Minister unseres Freistaates richten.

Die Verbände haben Sie mit ihrem Positionspapier vom 20.11.2000  zur Neufassung der aus unserer Sicht überholten ThürKorVO aufgefordert.
Mit Ihrem Schreiben vom 21.03.01 haben Sie dies mit dem Hinweis auf fachliche und rechtliche Gründe und die Langwierigkeit eines möglichen Fortschreibungsverfahrens abgelehnt. Die Fragen der Präsidenten im Schreiben vom 15.05.01 stehen bis heute noch unbeantwortet im Raum, und in der Tat ist wiederum viel Zeit ungenutzt verstrichen, statt an einer effizienten Lösung des Problems zu arbeiten.

Einziges Ergebnis sind einige kosmetische Erlasse, welche mehr für Verwirrung als für einen unkomplizierten Umgang mit der VO bei den Vollzugsbehörden gesorgt haben.
Es hat sich gezeigt, dass ein zentrales Problem mit einer landeseinheitlichen Verordnung  nicht durch lokal und subjektiv handelnde Behörden umgesetzt werden kann.
Eine VO, wie im Nachbarland Bayern, würde für überschaubare Verhältnisse sorgen, den Betroffenen und den Behörden aufwendige Antragsverfahren ersparen sowie subjektives Genehmigungshandeln ausschließen.

Wie aus beiliegender Information des Pressesprechers der CSU- Landtagsfraktion, Oliver Platzer (Anlage), zu entnehmen ist, liegt es wohl eher an den Bundesländern und der Bundesregierung selbst, eine Neubewertung des Schutzstatus für den Kormoran vorzunehmen.
Die EU scheint entsprechenden Regelungen offensichtlich nicht im Wege zu stehen.
Wir möchten Sie daher im Interesse des Schutzes anderer Tierarten vor dem Kormoran auffordern, in dieser Richtung in Thüringen und gemeinsam mit Ihren Kollegen aus den anderen Bundesländern auf Bundesebene tätig zu werden.

Die Vertreter der Thüringer Angel- und Berufsfischereiverbände schlagen Ihnen eine Gesprächsrunde unter Ihrer Führung vor, welche zu kurzfristigen, unkomplizierten und effizienten Lösungsansätzen des Kormoranproblems führen muss. Wenig hilfreich wäre dabei, sich erneut in einer Diskussion darüber zu verlieren, wessen Angaben über die Zahl der Kormorane oder den Umfang der Schäden die glaubhafteren sind und damit die Lösung des Problems erneut hinaus zu schieben.

In der Hoffnung auf baldige Antwort und Unterstützung, wie auf dem 3. Thüringer Fischereitag in Oberpörlitz von Ihnen versprochen verbleiben wir auch im Namen der anderen Verbände

mit freundlichen Grüßen und Petri Heil

Reinhard Karol
Vizepräsident für Gewässer, Natur und Umwelt