Rote Liste der Fische und Rundmäuler (Pisces et Cyclostomata ) Thüringens

3. Fassung, Stand 09/2001

RALF BRETTFELD, KARL-HEINZ BOCK, 
ROLAND MÜLLER und UWE MÜLLER
 

Einleitung
Fische und Rundmäuler sind wichtige Glieder limnischer Ökosysteme. Ihre natürlichen Lebensräume in Thüringen sind Bäche und Flüsse, die nach ihren Charakterarten der Forellen-, Äschen- und Barbenregion zuzuordnen sind. Flussunterläufe der Bleiregion und natürliche Stillgewässer sind selten. In Thüringen werden gegenwärtig 39 Arten Fische und Rundmäuler als autochthon angesehen (BRETTFELD et al. 1996). Dabei werden traditionell die ökologischen Formen der Forelle als eigenständige „Arten“ behandelt. Die Verbreitung und Ökologie der einzelnen Arten in Thüringen ist in der Publikation „Fische in Thüringen“ dargestellt (BOCK et al. 1996).

Fische und Rundmäuler werden seit Jahrhunderten intensiv genutzt. Die großen Laichzüge der anadromen Wanderarten waren eine wichtige Eiweißquelle der in den Flussauen lebenden Menschen. Dies ermöglichte das gezielte Einbringen von gewünschten Fischbesatz in natürliche und künstlich angelegte Gewässer. Durch die Einführung wirtschaftlich interessanter Arten kommen heute in Thüringen weitere, ehemals nicht heimische Arten auch außerhalb spezieller Fischzuchtanlagen vor – die bekanntesten sind Karpfen, Regenbogenforelle und Zander. Durch Besatzmaßnahmen wird auch die gegenwärtige Bestandssituation der Population einiger einheimischer Arten verschleiert, z. B. bei Bachforelle und Hecht, zweier beliebter und begehrter Angelfische. So ist die reale Gefährdung oftmals schwierig zu beurteilen. 

In Thüringen wurden aktuell 26 Arten in die Rote Liste aufgenommen. Das sind 2/3 des Artenbestandes. 11 Arten (28,2 %) werden als ausgestorben bzw. verschollen eingestuft. Dieser hohe Anteil hat mehrere Ursachen. Die anadromen Laichwanderer Flussneunauge, Lachs, Meerforelle, Maifisch und Stör sind größtenteils seit über hundert Jahren aus Thüringen infolge Flussverbau und Verschmutzung der Laichgründe verschwunden. Andere Arten, z. B. Rapfen, Wels und Zährte waren in Thüringen von jeher auf die Flussunterläufe beschränkt und sind dort derzeit verschollen, kommen aber flussabwärts in angrenzenden Bundesländern noch vor. Das gleiche gilt für Schlammpeitzker und Steinbeißer, die in Thüringen aufgrund ihrer speziellen Habitatansprüche von jeher selten waren. Ihre Vorkommen sind infolge übermäßiger Verschmutzung der Flusssedimente erloschen. Der Schneider, ein geselliger Schwarmfisch der Äschen- und Barbenregion, hat neben der Gewässerverschmutzung v. a. die einschneidenden Strukturveränderungen einst vielgestaltiger Flussläufe nicht überlebt.

Seit der letzten Fassung der Roten Liste 1996 konnten nunmehr drei ehemals verschollene Arten wieder mit aktuellen Vorkommen in Thüringen belegt werden. Die Wiederfunde von Aland, Bitterling und Nase werden nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand als autochthone Vorkommen eingestuft. Der Wels muss, da sich die gegenwärtigen Bestände in einigen Kiesgruben und Talsperren ausschließlich auf Besatz zurückführen lassen, weiterhin als verschollene Wildfischart gelten.

Aktuell werden fünf Arten (12,8 %) als vom Aussterben bedroht, zwei Arten (5,1 %) als stark gefährdet und acht Arten (20,5 %) als gefährdet eingestuft. Die Hauptgefährdungsursachen sind gegenwärtig Strukturdefizite vieler Fließgewässer infolge des großflächigen Aus- und Verbaus der Flusssysteme und ihrer Arten, v. a. in den letzten Jahrzehnten. Die Abwasserbelastung hat sich dagegen landesweit deutlich verringert. Allerdings treten Fischsterben aufgrund unsachgemäßen Umgangs mit gewässergefährdenden Stoffen weiterhin häufig auf und sind auch in den Medien präsent. Vier Arten – der Döbel, die Güster, die Rotfeder und der Neunstachlige Stichling – konnten aufgrund ihrer positiven Bestandsentwicklung aus der Roten Liste entlassen werden.

Rote Liste
Art Gefährdung Bemerkung
Aal Anguilla anguilla (LINNAEUS, 1758) 3
Aland Leuciscus idus (LINNAEUS, 1758)  1
Äsche Thymallus thymallus (LINNAEUS, 1758) 3 EU
Bachforelle Salmo trutta fario (LINNAEUS, 1758) 3
Bachneunauge Lampetra planeri (BLOCH, 1784) 1 § EU
Barbe Barbus barbus (LINNAEUS, 1758) 2
Bitterling Rhodeus sericeus amarus (BLOCH, 1782) 1 EU
Elritze Phoxinus phoxinus (LINNAEUS, 1758) 3
Flussneunauge Lampetra fluviatilis (LINNAEUS, 1758) 0 § EU
Groppe Cottus gobio (LINNAEUS, 1758) 2 EU
Hasel Leuciscus leuciscus (LINNAEUS, 1758) 3
Hecht Esox lucius (LINNAEUS, 1758) 3
Lachs Salmo salar (LINNAEUS, 1758) 0 EU
Maifisch Alosa alosa (LINNAEUS, 1758) 0 EU
Meerforelle Salmo trutta trutta (LINNAEUS, 1758) 0
Moderlieschen Leucaspius delineatus (HECKEL, 1843) 3
Nase Chondrostoma nasus (LINNAEUS, 1758) 1
Quappe Lota lota (LINNAEUS, 1758)  1
Rapfen Aspius aspius (LINNAEUS, 1758)  0 EU
Schlammpeitzker Misgurnus fossilis (LINNAEUS, 1758) 0 EU
Schneider Alburnoides bipunctatus (BLOCH, 1782) 0
Steinbeißer Cobitis taenia (LINNAEUS, 1758)  0 EU
Stör Acipenser sturio (LINNAEUS, 1758) 0
Ukelei Alburnus alburnus (LINNAEUS, 1758) 3
Wels Silurus glanis (LINNAEUS, 1758) 0 *
Zährte Vimba vimba (LINNAEUS, 1758) 0
Gefährdungskategorien und weitere Abkürzungen 

0 Ausgestorben, ausgerottet oder verschollen
1 Vom Aussterben bedroht
2 Stark gefährdet
3 Gefährdet
EU       Arten des Anhangs II der FFH Richtlinie 
§ EU    nach § 20 a BNatSchG bzw. § 18 ThürNatG besonders geschützt
* natürliche Bestände erloschen, aktuelle Vorkommen begründen sich auf Besatzmaßnahmen