FISCH & FANG

Nr. 11/2002

Zur Sache, Kanzler!

Kurt Dietl: Herr Bundeskanzler, welchen Stellenwert haben für Sie die Angelfischerei und der Gewässerschutz im Sinne des Naturschutzes?

Gerhard Schröder: Angelfischerei, die naturverträglich ausgeübt wird, ist praktizierter Naturschutz. Damit Wasser seine Funktionen als wesentlicher Bestandteil des Naturhaushaltes und prägender Teil der Landschaft erfüllen kann, verdient der Gewässerschutz besondere Beachtung. Deshalb sind im neuen Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) die Anforderungen an den Gewässerschutz neu formuliert worden.

Dietl: Wie stehen Sie zu der Auffassung, dass die Fischereiorganisationen gemäß § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes als Naturschutzverbände anerkannt werden sollen?

Schröder: Eine Anerkennung der Fischereiorganisationen als Naturschutzverband ist durch das Bundesumweltministerium nach § 59 BNatSchG (früher § 29 BNatSchG) oder durch die Länder nach § 60 BNatSchG möglich. Erforderlich ist, dass sie nach Satzung und bisherigen Aktivitäten die Voraussetzung für eine Anerkennung erfüllen, was im Einzelfall zu prüfen ist.

Dietl: Wie beurteilen Sie die Natur- und Umweltschutzmaßnahmen sowie die Hegemaßnahmen der Angler?

Schröder: Der Bundesregierung ist bekannt und sie begrüßt, dass für die meisten Angler eine hohe Fangausbeute nicht ausschlaggebend für ihre Freizeitbeschäftigung ist, sondern dass Umfragen zufolge das Naturerlebnis sowie die Erholung vor allen anderen Motiven für die Ausübung des Angelns rangieren. Eng verbunden mit der Entspannung in der Natur sind auch die Sorge und das anerkennenswerte Engagement der Angler für die Fischbestände, die Gewässer und die Umwelt. Das zeigt vor allem, dass die Angler der in den Fischereigesetzen der Länder festgelegten Verpflichtung zur Hege und Pflege von Gewässern und Fischbeständen mit großem persönlichem und finanziellem Einsatz nachkommen.

Dietl: Wie stehen Sie zu der Auffassung des Umweltbundesamtes, dass kleine Wasserkraftanlagen - insbesondere an naturnahen Gewässern - ökologisch nicht sinnvoll sind?

Schröder: Der Effekt kleiner Wasserkraftanlagen von unter einem Megawatt Leistung ist im Hinblick auf die CO2-Einsparung gering. Dagegen sind die Auswirkungen auf die Gewässerökologie häufig beträchtlich, da die Durchgängigkeit erschwert und die Gewässerdynamik erheblich verändert wird. Auf die Tier- und Pflanzenwelt im und am Gewässer wirkt sich das negativ aus.

Dietl: Wie stehen Sie zum anwachsenden, gewerblich organisierten Bootstourismus auf unseren Gewässern - halten Sie eine zeitlich und mengenmäßig begrenzte Zulassung von Booten im Interesse der naturverträglichen Nutzung für notwendig?

Schröder: Es liegt in der Verantwortung der für den Naturschutz zuständigen Landesbehörden, dafür zu sorgen, dass sich der Bootstourismus im Rahmen einer naturverträglichen Nutzung hält.

Dietl: Wie stehen Sie zu Bestrebungen, die Angelfischerei in Naturschutzgebieten einzuschränken?

Schröder: Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Beschränkung der Angelfischerei in Naturschutzgebieten sinnvoll ist, läßt sich nicht generell beantworten. Sie ist im Einzelfall von den zuständigen Landesbehörden zu beurteilen.. Entscheidend kommt es dabei auf den Schutzzweck der Gebietsausweisung an.

Dietl: Wie beabsichtigen Sie und Ihre Fraktion, die Rahmenbedingungen der Angelfischerei zu setzen: restriktiv reglementieren oder positiv fördernd?

Schröder: Der Bundesregierung ist die große gesellschaftspolitische Bedeutung bekannt, die der Angelfischerei zukommt - gerade auch für das Vertraut machen der Jugend mit der Natur. Bei der hohen Popularität und der weiten Verbreitung des Angelns besitzt dieser Bereich der Binnenfischerei eine steigende sozioökonomische Bedeutung. Neben dem Wert der Fänge tätigen Angler, Tourismus, Bücher und Zeitschriften, und vieles mehr. Nach aktuellen Kalkulationen summieren sich diese Umsätze in Deutschland auf fast eine Milliarde Euro jährlich und erreichen damit eine wirtschaftlich bedeutsame Dimension. Die Ausgaben der Angelfischerei für Besatz, Aus- und Weiterbildung, Untersuchungen zu Gunsten der Fischerei, Gewässerpflege und -verbesserung sowie Maßnahmen zum Fischartenschutz summieren sich auf über sieben Millionen Euro. Die auch unter Natur- und Artenschutzaspekten wichtigen Aufwendungen für die Pflege und Verbesserung von Gewässern sowie den Besatz erreichten dabei das größte finanzielle Volumen. Die tier- und naturschutzgerecht ausgeübte Angelfischerei ist mithin eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, die es zu unterstützen gilt. Im Einzelnen sind hierfür jedoch die für die Binnenfischerei zuständigen Bundesländer die richtigen Ansprechpartner.
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FISCH & FANG

Nr. 12/2002

Nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder in der letzten FISCH & FANG (Heft 11/2002, S. 7) Position zu aktuellen Belangen der Angelei bezog und damit ein gewaltiges Echo unter den Lesern auslöste, S. 14), stellte sich diesmal Bundesumweltminister Jürgen Trittin von Bündnis 90/Die Grünen den Fragen von Kurt Dietl, Mitglied der Aktionsgemeinschaft „Fränkische Saale“ e.V.

Kurt Dietl: Welchen Stellenwert haben für Sie die Angelfischerei und der Gewässerschutz im Sinne des Naturschutzes?

Jürgen Trittin: Eine intakte Natur ist die Basis der Angelfischerei. Deshalb müssen auch im Interesse der Angelfischerei Strategien ergriffen werden, die unsere Gewässer enthalten. Eine auf das Gleichgewicht der Gewässerökologie ausgerichtete Angelfischerei ist ein wichtiges Element einer nachhaltigen Gewässernutzung. Trotz verstärkter Aktivitäten in den Ländern, bestehen im Bereich Gewässerschutz jedoch noch deutliche Defizite. Unter Respektierung der Naturschutzziele sollen Belange der Angelfischer bei Gewässerschutzmaßnahmen angemessene Berücksichtigung finden.

Dietl: Wie stehen Sie zu der Auffassung, dass die Fischereiorganisationen gemäß § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes als Naturschutzverbände anerkannt werden sollen?

Trittin: Die Anerkennung von Vereinen als Naturschutzverbände regelt der § 59 des geltenden Bundesnaturschutzgesetzes. Anerkannt werden kann jeder Verein, der satzungsgemäß die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert und dies seit mindestens drei Jahren auch tatsächlich praktiziert.

Dietl: Teilen Sie die Auffassung eines großen Teils der Bevölkerung, dass Angelfischer auch Naturschützer sind?

Trittin: Angelfischerei, die naturverträglich ausgeübt wird, dient dem Naturschutz.

Dietl: Sind Ihnen die Natur- und Umweltschutzmaßnahmen sowie die Hegemaßnahmen der Angler bekannt, und wie beurteilen Sie diese?

Trittin: Eine Reihe von Maßnahmen - insbesondere des Biotopschutzes - werte ich als positiv. Maßnahmen wie Fremdbesatz und Füttern lehne ich jedoch ab.

Dietl: Wie stehen Sie zu der Auffassung des Umweltbundesamtes, dass kleine Wasserkraftanlagen insbesondere an naturnahen Gewässern ökologisch nicht sinnvoll sind?

Trittin: An naturnahe Gewässer gehören keine Wasserkraftanlagen. Ansonsten ist über die Nutzung durch Einzelfallprüfung zu entscheiden. Es muß gewährleistet sein, dass die Gewässer insgesamt als lebendige Ökosysteme erhalten bleiben und nicht geschädigt werden.

Dietl: Wie stehen Sie zum anwachsenden, gewerblich organisierten Bootstourismus auf unseren Gewässern - halten sie eine zeitlich und mengenmäßig begrenzte Zulassung von Booten im Interesse der naturverträglichen Nutzung für notwendig?

Trittin: Eine zeitliche und mengenmäßige Begrenzung ist sinnvoll. Es muß im Einzelfall zwischen Erholungsbedürfnissen, touristischen Entwicklungschancen und ökologischen Belangen abgewogen werden.

Dietl: Wie stehen Sie zu Bestrebungen, die Angelfischerei in Naturschutzgebieten einzuschränken?

Trittin: Einschränkungen sollen nicht pauschal erfolgen, sondern dann, wenn der Schutzzweck des Gebietes dies erfordert. Angler, die sich auch als Naturschützer verstehen, werden dies akzeptieren.

Dietl: Wie beabsichtigen Sie und Ihre Fraktion, die Rahmenbedingungen der Angelfischerei zu setzen: restriktiv reglementierend oder positiv fördernd?

Trittin: Grundsätzlich muß auf das Instrument zurückgegriffen werden, das zielführend ist. Naturschutz ist kein Dogma, sondern wächst mit der Entwicklung, die er anstößt. Wir wollen Naturschutz mit den Menschen machen. Ich begrüße alle von Angelverbänden und Umweltverbänden gemeinsam abgeschlossenen freiwilligen Vereinbarungen zum Schutz von Gewässern. Das kann zu Ergebnissen führen, die die Interessen beider Seiten sichern. Ehrenamtliche Revierlotsen können die Kontrolle solcher Vereinbarungen übernehmen.
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Leserbriefe

Respekt, Herr Bundeskanzler!

Zum Brennpunkt „Zur Sache, Kanzler“, Heft 11/2002, S. 7

Meinen Respekt, Herr Bundeskanzler, für dieses Interview! Und da dachte man immer, die Politiker interessieren sich nicht fürs Angeln, sorgen höchstens für mehr Bürokratie und Verboten am Wasser. Zumindest was die Position SPD angeht, soweit sie von Ihnen verkörpert wird, sehe ich nun klarer und bin ziemlich beruhigt. Sorge bereitet mir da schon eher Ihr Koalitionspartner. Deshalb hoffe ich, dass sich Ihre anglerfreundliche Linie auch mit den Grünen durchsetzen läßt. Denn wie formulierten Sie es doch so trefflich: „Angelfischerei ist praktizierter Naturschutz.“ Dem ist nichts hinzuzufügen!
Horst Mahler, Bremen

Herzlichen Glückwunsch zu dem Gespräch mit Kanzler Schröder. Nach dem die „Angelpresse“ in Deutschland seit einiger Zeit die Fischereipolitik geflissentlich verschwiegen hat, beweist Ihr Schröder- Interview, daß Sie erkannt haben, daß sich die Angelfischerei nicht länger auf die Verbreitung von Gewässer- und Geräteempfehlungen beschränken kann. Was nützt der Kauf der allerneuesten Rutenentwicklung, wenn mein Hausgewässer als Schutzgebiet mit totalem Angelverbot ausgewiesen wird? Spätestens dann schreit alles nach den Verbänden, die eifrig „Politik machen“ sollen. Erfolgreich können sie das jedoch nur tun, wenn sich jeder Angelfischer permanent für die Naturverträglichkeit des Angelns einsetzt, denn nur so werden wir auch überzeugen können. Mehr als mancher meint ist dabei schon erreicht worden, wie die - für einige überraschend - vernünftigen Aussagen des rotgrünen Kanzlers belegen. Aber viel bleibt noch zu tun, für uns alle Auch für die „Angelpresse“. Daher: weiter so!
Dr. Thomas Günther, Berlin