Beratungsmitschrift
Kormoran- Rundtischgespräch
am 31.08.04 im Vereinsheim der Jenaer Anglerunion
Teilnehmer:
s. Anwesenheitsliste
Eröffnet wurde die Gesprächsrunde
durch Herrn Karol, Präsident des einladenden Verbandes für Angeln
und Naturschutz Thüringen e.V.
TOP 1
Auswertung der gemeinsamen Kormoranzählung
2004/ 2005 und der erfolgten Vergrämungsmaßnahmen.
Die Zusammenfassung der Ergebnisse
liegt als Anlage bei.
Festgestellt wurde durch die TLUG,
dass derzeit keine gesicherten Erkenntnisse über erfolgreiche Brutversuche
von Kormoranen vorliegen. Noch nicht abschließend geklärt ist
die Zunahme der „Kormorantage“ in Thüringen gegenüber der Vorsaison
um 18% oder in Bayern gar um 23 % nach der relativen Stagnation der letzten
Jahre. Erklärungsversuche ergeben sich zum einen aus einer besseren
Flächendeckung der Zählung; zum anderen wurde über einen
deutlichen Anstieg der Brutpopulationen in Skandinavien (Schweden/ Finnland)
informiert. Ringfunde lassen vermuten, dass sich der Überwinterungsbestand
der Kormorane zu beachtlichen Teilen aus diesen Regionen rekrutiert. Daraus
ergibt sich sowohl die Notwendigkeit einer weiteren intensiven Zählung
und Beobachtung in Thüringen als auch einer sehr auf Schwerpunkte
der Berufsfischerei und des Fischartenschutzes differenzierten Handhabung
der ThürKorVO. Vorgeschlagen wurde z.B. aus Sicht des NABU eine weitergehende
Schonung der Kormorane auf großen Stillgewässern zugunsten sensibler
Fließgewässer.
Aus Sicht der Fischereiverbände
und des Thüringer Jagdverbandes wurde darauf verwiesen, dass die KorVO
zwar eine akzeptable Rechtssicherheit gibt, dass aber kein Grund für
Befürchtungen hinsichtlich einer ernsthaften Reduzierung oder gar
nennenswerten Schädigung des Kormoranbestandes in Thüringen besteht.
Gründe, welche gegen diese
Befürchtungen sprechen sind u.a. die hohen Anteile befriedeter Bezirke,
in welchen eine Jagd nicht möglich ist, die hohe Fluchtdistanz der
Kormorane gerade an großen Stillgewässern sowie die geringe
Motivation der Jagdausübungsberechtigten, wenn diese nicht selbst
Angler oder Fischer sind. Beweis dafür ist u.a. die geringe Realisierung
genehmigter Abschüsse in den Vorjahren.
Unsachliche Pressekampagnen unter
der Überschrift „Gesetzlich verordneter Vogelmord“ entbehren jeder
Grundlage und sollten daher unterbleiben. Seitens der Fischereiverbände
wurde wiederholt auf die z.T. dramatischen Auswirkungen des Kormoranfraßdrucks
auf Abundanz, Alterstruktur und Reproduktionsfähigkeit der Fischbestände
auch im Zusammenhang mit Bewertungskriterien der EG- Wasserrahmenrichtlinie
hingewiesen.
Es wurde nochmals verdeutlicht,
dass Erfolg und Akzeptanz der Zählerergebnisse von einer einheitlichen
Methodik (Stichtagszählung an den bekannten Schlafplätzen) und
einer möglichst flächendeckenden Erfassung aller Schlafplätze
abhängen. Dazu ist auch die umfassende Beteiligung von Anglern und
Berufsfischern aus dem Angelfischereiverband Ostthüringen (AFVOT)
und dem Thüringer Fischereiverband (TFV) erforderlich.
Bisher liegt für die anstehende
Zählsaison 2004/2005 noch kein Auftrag des TMLNU zur Koordinierung
der Zählung durch Herrn Dr. Wiesner (TLUG) vor.
TOP 2
Vorbereitung der gemeinsamen Kormoranzählung
2004/ 2005
Die Anwesenden waren sich einig,
dass auch für das kommende Winterhalbjahr durch das TMLNU ein Auftrag
zur Koordinierung der Zählungen an Herrn Dr. Wiesner zu erteilen ist.
Eine entsprechende Bitte wird an die Abteilung Naturschutz im TMLNU bzw.
Herrn Minister Dr. Sklenar im Auftrag der Teilnehmer weitergeleitet.
Seitens aller anwesenden Verbände
wurde die Bereitschaft zur Teilnahme im Sinne einer flächendeckenden
Zählung bekundet. Die Zähltermine 2004/ 2005 einschl. der Zählprotokolle
werden den Verbänden umgehend durch Herrn Dr. Wiesner mitgeteilt.
Herr Dr. Wiesner erklärte sich
bereit, vorerst auch ohne Auftrag des TMLNU in bewährter Weise als
Koordinator tätig zu werden.
TOP 3
Möglichkeiten des Schutzes
bedrohter Fischarten vor Fisch fressenden Vögeln in Schutzgebieten
Ausgangspunkt für diesen Tagesordnungspunkt
war die Ablehnung des Antrages der HG Ulster Hessen Thüringen auf
Genehmigung von Kormoran- Vergrämungsabschüssen im NSG Ulster
vom 03.09.2003 durch das TMLNU mit einem Schreiben des Staatsekretärs
Herrn Prof. Dr. Juckenack vom 15.07.04 an den Präsidenten des VANT.
Seitens des VANT wurden die drastischen
Auswirkungen der Kormorane auf den Fischbestand der Ulster dargestellt,
welche auch durch mehrjährige Untersuchungen des Hydrolabors Schleusingen
im Gebiet der thüringischen Ulster belegt sind. Insbesondere der Äschenbestand
steht kurz vor seinem völligen Zusammenbruch. Stark in Mitleidenschaft
sind auch die Bestände von Barbe und Bachforelle gezogen. Seitens
der HG wurde eine Laichfischreserve in der Fischzucht Keidel eingestellt
und erste erfolgreiche Erbrütungs- und Aufzuchtversuche realisiert.
Teils auf freiwilliger und teils auf Basis behördlicher Anordnung
wurde ein ganzjähriges Entnahmeverbot von Äschen durch die Angelfischerei
in diesem Bereich umgesetzt.
Im Gegensatz dazu wird auf anderen
Gebieten permanent legal und illegal gegen die Bestimmungen der Schutzgebiets-VO,
des ThürFischG des ThürNatG und des ThürWG ohne erkennbaren
Widerstand der zuständigen Behörden verstoßen bzw. werden
schwerwiegende Eingriffe, z.B. Kiesentnahmen in sensiblen Bereichen selbst
während der Laichzeit von Kieslaichern genehmigt und geduldet. Analogien
bezüglich der Genehmigung der Goldwäscherei im Schwarzatal durch
das TLVWA gegen den Widerspruch der Fischerei und Naturschutzverbände
vermitteln den Eindruck willkürlicher Rechtsauslegungen bzw. Rechtsbeugungen
durch diese Behörde.
In diesem Kontext ist auch die rechtliche
Begründung für die Ablehnung des o.g. Antrages der HG Ulster
als fragwürdig einzustufen.
Unter diesem Gesichtspunkt wurde
durch den Vertreter der AG Artenschutz Thüringen und die Fischereiverbände
eine nochmalige Prüfung des Vorgangs aus rechtlicher, naturwissenschaftlicher
und ökologischer Sicht angemahnt. So ist es nicht nachvollziehbar
das offensichtlich ungerechtfertigte Unterschiede in der Abwägung
der Schutzwürdigkeit von Teilen der Avifauna und er Fischfauna ausschlaggebend
für die Ablehnung wirkungsvoller Vergrämungsmaßnahmen des
Kormorans zum Schutz bedrohter heimischer Fischarten führen, auch
wenn diese nicht unmittelbar dem Naturschutzrecht unterstehen.
Die dramatische Situation der Fischbestände
in der Ulster verlangt unverzügliches Handeln im Sinne eines ganzheitlichen
Schutzes diese Naturraumes und seiner Flora und Fauna.
Einseitige Rechtsauslegungen zum
Nachteil einzelner Bestandteile dieses Systems sind sowohl aus naturschutzfachlicher
als auch ökologischer Sicht nicht zu tolerieren. Sie lassen Zweifel
an der Ernsthaftigkeit des behördlichen und Teilen des organisierten
Naturschutzes hinsichtlich der Umsetzung einer ganzheitlichen Naturschutzstrategie
aufkommen.
Vorgeschlagen wurde, diese Problematik
in den Anhörungstermin der anerkannten Naturschutzverbände am
13.09.04 beim TMLNU und das für den 27.10.04 vorgesehene Gespräch
der Fischereiverbände mit Minister Dr. Sklenar einzubringen.
Diskutiert wurde ein Projekt des
NABU- Landesverbandes zum Praxistest des Kormoranvergrämungsgerätes
„Seeadler- K1“ im NSG Plothener Teichgebiet“. Kontrovers wurde der Sinn
dieses Projekts dahingehend diskutiert, dass nach Auffassung einiger Gesprächsteilnehmer
bereits ausreichende Erfahrungsberichte zur Wirksamkeit des Gerätes
vorlägen. Ein Erfahrungsaustausch mit z.B. auch Thüringer Betreibern
dieses Gerätes hätte u.U. die möglichen Ergebnisse dieses
Projekts vorweg nehmen können.
Angeregt wurde darüber hinaus
der Einsatz dieses Gerätes als eine Möglichkeit der non- letalen
Vergrämung der Kormorane im NSG Ulster. Die erforderlichen Gespräche
mit dem TLVWA werden mit Vertretern der HG Ulster und dem VANT zu führen
sein.
TOP 4
Gründung einer ständigen
Arbeitsgruppe Kormoran und Fischartenschutz
Nach kurzer Diskussion über
die Aufgaben, Zusammensetzung und Leitung der Arbeitsgruppe wurde Konsens
über die Notwendigkeit der Gründung erzielt.
Wesentlichste Aufgabe der AG sollte
die Erarbeitung von Entscheidungshilfen für zielgerichtete und spezifische
Maßnahmen eines unter Thüringer Verhältnissen praktikablen
Managements der Kormoranbestände sein. Dazu gehören die Koordinierung
und Auswertung der jährlichen Zählungen und Abschüsse, weitere
Dokumentation der Auswirkungen auf die Fischfauna einschließlich
der Erteilung von Aufträgen für notwendige Gutachten oder Forschungen,
Auswertung einschlägiger Literaturergebnisse sowie die Information
der Öffentlichkeit, der Politik und Behörden.
Mehrheitlich wurde von den Teilnehmern
auch ein Engagement der Thüringer Landesregierung für ein einen
europäischen Managementplan im Bündnis mit weiteren betroffenen
Bundesländern angemahnt. Die notwendige Argumentation dafür sollte
mit zu den Aufgaben der AG gehören.
Für die Zusammensetzung der
AG wird folgende Liste analog der „Arbeitsgruppe Kormoranverordnung“ des
Landes Baden Württemberg (im Internet unter www.vfg-bw.org/seite5.htm)
vorgeschlagen, welche durch weitere Vorschläge präzisiert werden
kann:
TMLNU Abt. 2
TLWJF Ref. Wildbewirtschaftung/Fischerei
TLVWA Ref. 600
TLUG
Hydrolabor Schleusingen
Arbeitsgruppe Artenschutz Thüringen
e.V.
NABU- Landesverband Thüringen
e.V.
Landesjagdverband Thüringen
e.V.
Thüringer Landesangelfischereiverband
e.V.
Thüringer Fischereiverband
e.V.
Verband für Angeln und Naturschutz
Thüringen e.V.
Angelfischereiverband Ostthüringen
e.V.
Nach Abschluss der Vorschlagsliste
bis zum 30.09.04 sind mit den betreffenden Institutionen und Verbänden
Gespräche zur Mitarbeit in der AG zu führen. Die beteiligten
Mitglieder der AG schlagen ihrerseits je einen Vertreter und einen Stellvertreter
zur Mitarbeit in der AG vor.
Suhl, 02.09.2004
Andreas Kirsch
Anlagen:
· Ergebnisse der Thüringenweiten
Kormoran-Schlafplatzzählung im Winter 2003/2004
(Hier
Klicken: WORD-Datei 144 KB)
· Auszug aus dem Beschluss
des Arbeitskreises Umwelt der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die
Grünen vom 29. Juni 2004 „Fischwirtschaft nachhaltig betreiben und
gestalten“: |